Die Tro­cken­ra­sen­stand­or­te des unte­ren Oder­tals gehen auf die wirt­schaft­li­che Tätig­keit des Men­schen zurück. Sie ent­stan­den als im Hoch­mit­tel­al­ter, häu­fig nach Abhol­zun­gen an den Tal­hän­gen oder am Ran­de des Oder­tals, Wei­de­flä­chen ange­legt wur­den. Trotz ihrer vom Men­schen stark beein­fluss­ten Ent­ste­hungs­ge­schich­te fin­den wir hier äußerst rei­che und inter­es­san­te Lebens­räu­me, in denen vie­le, vor allem flo­ris­ti­sche Rari­tä­ten zu Hau­se sind. Man unter­glie­dert die Tro­cken­ra­sen ent­spre­chend der Böden in Sand­tro­cken­ra­sen auf san­di­gen und Step­pen­tro­cken­ra­sen auf leh­mi­gen Böden.

Sandtrockenrasen

Sand­tro­cken­ra­sen sind im gan­zen unte­ren Oder­tal ver­brei­tet, selbst auf höher gele­ge­nen Stand­or­ten in der eigent­li­chen Strom­tal­aue, was auf den ers­ten Blick ver­wun­dern mag. Als Ergeb­nis der Auen­dy­na­mik und ihres Wech­sel­spiels zwi­schen Sedi­men­ta­ti­on und Ero­si­on fin­det man auch auf den im Pol­der­ge­biet sedi­men­tier­ten Sand­flä­chen Sand­tro­cken­ra­sen, auf denen bereits im März die gel­ben Blü­ten­stän­de der Fil­zi­gen Pest­wurz (Peta­si­tes spu­ri­us) auf­fal­len. Spä­ter blüht hier eine Rei­he der klei­nen, sel­te­nen Horn­kraut­ar­ten (Ceras­ti­um dubi­um, Ceras­ti­um pal­lens, Ceras­ti­um brac­hy­pe­talum). Im Som­mer herr­schen Sil­ber­gras (Cory­ne­pho­rus cane­s­cens) und Tata­ren-Leim­kraut (Sile­ne tata­ri­ca) vor. Bei Ver­fes­ti­gung die­ser Stand­or­te ent­wi­ckelt sich ein Heidenelken-Grasnelken-Rasen.

Auf den Höhen gibt es ver­schie­de­ne Typen von Sand­tro­cken­ra­sen, in denen Schwin­gel­ar­ten (Fes­tu­ca trac­hy­phyl­la, Fes­tu­ca psam­mo­phi­la, Fes­tu­ca pole­si­ca) unter den Gras­ar­ten die Haupt­rol­le spie­len. Hier kom­men auch ver­schie­de­ne Arten und Unter­ar­ten der Feder­grä­ser (Sti­pa joan­nis, Sti­pa bory­sthe­ni­ca) vor und bie­ten im Früh­som­mer mit ihren lan­gen, behaar­ten Gran­nen einen pracht­vol­len Anblick. Sel­te­ne Kräu­ter wie die bei­den Leim­kraut­ar­ten (Sile­ne oti­tes und Sile­ne chlor­an­tha), das Nat­tern­kopf-Habichts­kraut (Hiera­ci­um echio­ides), die Kart­häu­ser-Nel­ke (Dian­thus car­thu­sia­n­o­rum), der Gel­be Zahn­trost (Ort­h­an­tha lutea), die Sibi­ri­sche Glo­cken­blu­me (Cam­pa­nu­la sibi­ri­ca) und vie­le ande­re ergän­zen das Bild und kenn­zeich­nen ein­zel­ne Assoziationen.

Steppentrockenrasen

Flo­ris­tisch und natur­schutz­fach­lich beson­ders bedeut­sam sind die Step­pen­tro­cken­ra­sen im Natio­nal­park. Wäh­rend die Feder­gras­step­pe mit dem Pfrie­men­gras (Sti­pa capil­la­ta) noch ein rela­tiv ein­tö­ni­ges Bild bie­tet, sind die Wie­sen­step­pen bei Geesow, Gartz, Stütz­kow, Gell­mers­dorf, Stol­pe oder Stol­zen­ha­gen eher mit wild blü­hen­den Gär­ten zu ver­glei­chen als mit den sonst übli­chen Pflanzengesellschaften.

Schon im zei­ti­gen Früh­jahr bil­den die hell­blau­en Blü­ten des Rau­haa­ri­gen Veil­chens (Vio­la hir­ta) einen kräf­ti­gen Kon­trast zu den gel­ben Blü­ten­pols­tern des Sand-Fin­ger­krau­tes (Poten­til­la are­na­ria), die bald von den kräf­ti­gen wei­ßen Blü­ten des Gro­ßen Wind­rös­chens (Ane­mo­ne syl­vestris) und dem Wei­ßen Fin­ger­kraut (Poten­til­la alba) durch­setzt sind. Zugleich mit der Ent­wick­lung der domi­nie­ren­den Fie­der-Zwen­ken (Brac­hy­po­di­um pin­na­tum) oder des hüb­schen Zit­ter­gra­ses (Bri­za media) öff­nen sich die Blü­ten­stän­de der Gras­li­li­en (Anthe­ri­cum ramos­um), die blau­en Blü­ten­tür­me der Wie­sen-Sal­bei (Sal­via pra­ten­sis), die bun­ten Blu­men­tup­fen der Klee­ar­ten (Trif­o­li­um mon­ta­num, Trif­o­li­um alpest­re) oder die tief­blau­en Blü­ten der Gro­ßen Brau­nel­le (Pru­nella gran­di­flo­ra). Lan­ge Stie­le mit den pur­pur­nen Blü­ten­stän­den der Vio­let­ten Schwarz­wur­zel (Scor­zo­ne­ra pur­pu­rea) wer­den an meh­re­ren Stel­len durch die rosa bis roten Blü­ten­trau­ben des Drei­zäh­ni­gen Kna­ben­krau­tes (Orchis triden­ta­ta) ergänzt. Bis zum Som­mer erschei­nen die sel­te­nen Som­mer­wurz­ar­ten (Oro­ban­che vul­ga­ris und Oro­ban­che lutea), die als Voll­schma­rot­zer an bestimm­te Wirts­ar­ten gebun­den sind. Oro­bran­che lutea gibt es z. B. nur dort, wo die Sichel-Luzer­ne (Medi­ca­go fal­ca­ta) wächst. Gleich­falls begin­nen ver­schie­de­ne Glo­cken­blu­men­ar­ten (Cam­pa­nu­la glo­me­ra­ta, Cam­pa­nu­la cer­vica­ria, Cam­pa­nu­la bono­ni­en­sis) mit ihrem Blü­ten­flor, der viel­fach bis in den Spät­herbst hin­ein andau­ert. An Gebü­schrän­dern wach­sen oft mas­sen­haft die Blü­ten­grup­pen des Blut­ro­ten Storch­schna­bels (Gera­ni­um san­gui­ne­um).

Mit sei­nen dun­kel­blau­en Blü­ten­knäu­len eröff­net der Kreuz-Enzi­an (Gen­ti­a­na cru­cia­ta) den flo­ra­len Hoch­som­mer und lei­tet zur Herbst­flo­ra über. Dann sehen ein­zel­ne Hang­par­tien gelb aus, wenn mas­sen­haft die Blü­ten­stän­de der Gold­haar-Aster (Aster lino­sy­ris) oder der Gemei­nen Gold­ru­te (Soli­da­go vir­gau­rea) erschei­nen, die dann oft­mals von den Stau­den­tür­men der Hirsch­wurz (Peu­ce­da­num cer­va­ria) über­ragt wer­den. Dies ist aber nur ein klei­ner Aus­schnitt aus der Arten­viel­falt die­ser Standorte.

Die meis­tens vom Aus­ster­ben bedroh­ten Pflan­zen­ar­ten des Natio­nal­parks fin­den sich übri­gens auf den Tro­cken­ra­sen. Der Natio­nal­park hat hier eine beson­de­re flo­ris­ti­sche Ver­ant­wor­tung. Die Tro­cken­ra­sen­pfle­ge ist aber nicht leicht und kos­ten­auf­wen­dig. An vie­len Stel­len sind unge­pfleg­te, das heißt nicht mehr bewei­de­te Tro­cken­ra­sen von Ver­bu­schung bedroht und auch betrof­fen. Um die Din­ge zum Bes­se­ren zu wen­den, muss zunächst ein­mal eine natur­schutz­kon­for­me Bewei­dung sicher­ge­stellt wer­den. Mit der vor­läu­fi­gen Besitz­ein­wei­sung im Rah­men der Unter­neh­mens­flur­neu­ord­nung im Jah­re 2013 sind prak­tisch alle im Natio­nal­park gele­ge­nen Tro­cken­ra­sen­flä­chen in den Besitz des Natio­nal­park­ver­eins über­ge­gan­gen. Dadurch wur­de es dem Natio­nal­park­ver­ein mög­lich, ein in sich stim­mi­ges und trag­fä­hi­ges Bewirt­schaf­tungs­kon­zept umzu­set­zen. Sämt­li­che Tro­cken­ra­sen sind seit­dem gegen eine gerin­ge Pacht an einen Schä­fer ver­pach­tet. Eini­ge weni­ge Flä­chen wer­den auch von Eseln oder von leich­ten Pfer­den wie Koniks bewei­det. Auch die Bewei­dung mit leich­ten Rin­dern ist mög­lich und wur­de erprobt. Gut geeig­net zur Bewei­dung wären auch die aller­dings fremd­län­di­schen Alpa­kas (Vicug­na pacos), da sie kei­ne Tritt­schä­den ver­ur­sa­chen oder auch eura­si­sche Hal­be­sel wie Ona­gers (Equus hemi­o­nus).

Seit der durch­gän­gi­gen Bewei­dung hat sich der Zustand der Tro­cken­ra­sen ver­bes­sert. Zunächst muss­ten aber Ent­bu­schungs­maß­nah­men durch­ge­führt wer­den, die zu Anfang auch von der Natur­schutz­stif­tung David unter­stützt wur­den. Auch frei­wil­li­ge Mit­ar­bei­ter des Natur­schutz­bun­des Schwedt/O. sind hier immer wie­der aktiv, bei­spiels­wei­se in den Mül­ler­ber­gen und im Höllengrund.

Seit eini­gen Jah­ren wird auch das Fläm­men erprobt. Dabei wird im Früh­jahr das über­stän­di­ge Gras kon­trol­liert abge­brannt. Das ist auch in der Wild­nis ein natür­li­cher Vor­gang, der durch Blitz­schlag ver­ur­sacht wer­den kann. Nach dem win­ter­li­chen „Fläm­men“ kann das fri­sche Grün bes­ser ins Kraut schie­ßen. Aller­dings ist es sehr auf­wen­dig, bedarf einer lan­gen Vor­be­rei­tung und einer guten Zusam­men­ar­beit mit der ört­li­chen Feu­er­wehr. Ers­te Erfol­ge sind schon auf den abge­brann­ten Flä­chen zu beob­ach­ten, das Helm-Kna­ben­kraut (Orchis mili­ta­ris) hat deut­lich zugenommen.

Die Tro­cken­ra­sen­pfle­ge ist ein Schwer­punkt der Bran­den­bur­gi­schen Aka­de­mie, die zu die­sem The­ma regel­mä­ßig Tagun­gen ver­an­stal­tet. Die hier gehal­te­nen Vor­trä­ge wer­den im Natio­nal­park-Jahr­buch Unte­res Oder­tal veröffentlicht.

Weiterführende Literatur

Nähe­res zum The­ma Tro­cken­ra­sen fin­det sich im Buch „Der Inter­na­tio­nal­park Unte­res Oder­tal – Ein Werk- und Wan­der­buch“ (VÖSSING 1998, Stapp Ver­lag Ber­lin, S. 39 f).